31.07.2023
Die deutsch-französische Wärmegesellschaft Calorie Kehl-Strasbourg (CKS) hat mit Sabine Schimetschek eine Generaldirektorin in Vollzeit: Der Verwaltungsrat der gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft nach französischem Recht (SEM = Société d‘économie mixte) übertrug damit die Steuerung des in Europa einzigartigen Projekts zur grenzüberschreitenden Nutzung der Abwärme der Badischen Stahlwerke (BSW) an eine Bauingenieurin mit langjähriger Berufserfahrung in Frankreich und Deutschland.
Wenn das neue Wärmenetz 2027 in Betrieb geht, werden in einer ersten Phase etwa 7000 Haushalte in Straßburg mit Wärme versorgt werden, in einer zweiten auch Wohnungen, Unternehmen und Einrichtungen in Kehl. Von Anfang an werden bei einer Wärmelieferung von 70 Gigawattstunden pro Jahr circa 19 600 Tonnen des klimaschädlichen Gases CO2 vermieden.
Zweck der SEM Calorie Kehl-Strasbourg ist die Planung, der Bau und der Betrieb eines rheinübergreifenden Rohrleitungsnetzes, in das die bei der Stahlproduktion der BSW in Kehl unvermeidbar entstehende Abwärme eingespeist wird. In der im Mai 2022 gegründeten Gesellschaft arbeiten sechs Partnerinnen und Partner von beiden Rheinseiten zusammen: Hauptanteilseignerin ist die Eurométropole de Strasbourg (EMS) mit 49 Prozent. Die Région Grand Est, das Land Baden-Württemberg sowie die Stadt Kehl haben jeweils 12,75 Prozent des Stammkapitals der Gesellschaft von rund 4,2 Millionen Euro eingebracht; die Caisse des Dépôts et consignations (CDC) hält 15 Prozent der Aktien. Die BSW sind symbolisch mit einer Aktie beteiligt. Sie haben im Gegensatz zu den anderen Partnerinnen und Partnern im Verwaltungsrat kein Stimmrecht.
„Ich freue mich sehr über die Ernennung von Sabine Schimetschek zur Generaldirektorin der SEM Calorie Kehl-Strasbourg. Mit ihrer soliden Erfahrung als Führungskraft und ihren Kompetenzen in der Leitung von Großprojekten, zusammen mit ihrer doppelten französischen und deutschen Kultur, bringt sie alle Voraussetzungen mit, um dieses grenzüberschreitende Projekt, das für die Zukunft der Energiewende in unserem gemeinsamen Gebiet entscheidend ist, zum Erfolg zu führen“, erklärte Jeanne Barseghian, Präsidentin der SEM Calorie und Oberbürgermeisterin von Straßburg.
Thekla Walker, Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, hob die besondere Bedeutung des grenzüberschreitenden Projekts für den Klimaschutz und die Energiewende hervor: „Die Klimakrise nimmt keine Rücksicht auf Landesgrenzen. Deshalb müssen wir alle Potenziale für eine klimafreundliche und sichere Energieversorgung – auch grenzüberschreitend – heben. Denn nur so können wir in der Zukunft klimaschädliche CO2-Emissionen einsparen und unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduzieren. Die Abwärme aus den Badischen Stahlwerken auf beiden Seiten des Rheins zu nutzen, leistet dabei einen herausragenden Beitrag zum Klimaschutz und insbesondere zur Wärmewende.“
„Ich bin sehr froh, dass wir mit Sabine Schimetschek nun eine Vollzeit-Geschäftsführerin haben, die dieses wichtige Projekt mit Elan vorantreiben wird“, freute sich Oberbürgermeister Wolfram Britz, der die Stadt Kehl im Verwaltungsrat vertritt über die einstimmige Entscheidung. Bislang hatten im Wesentlichen Verwaltungsmitglieder der Finanzierungspartner die Arbeit für Calorie geleistet.
So sieht es auch Franck Leroy, Präsident der Région Grand Est und freut sich über "diese Ernennung, die einen wichtigen Schritt bei der Umsetzung eines symbolträchtigen Projekts zur Aufwertung und Nutzung von Abwärme zwischen den Städten Kehl und Straßburg innerhalb der Region Grand Est darstellt. Sabine Schimetschek verfügt über die Erfahrung und die multi-kulturellen Kenntnisse, die für den Erfolg ihrer Aufgabe erforderlich sind! Durch die Teilnahme an diesem Projekt möchte die Région Grand Est die grenzüberschreitenden Best Practices im Bereich der Energie- und Umweltwende aufwerten. Die Erfahrung, die mit der SEM Calorie Kehl-Strasbourg gemacht wurde, ist in Europa einzigartig. Sie symbolisiert die sehr starken Verbindungen zwischen den beiden Rheinufern und den beispielhaften Charakter der Zusammenarbeit am Oberrhein."
Die neue Generaldirektion stammt aus Gießen, ist Diplom-Bauingenieurin und hat bereits während ihres Studiums an der Fachhochschule in Konstanz Praktika in Frankreich absolviert. Ihre berufliche Laufbahn begann Sabine Schimetschek bei einem Unternehmen im Elsass. In der Folge war sie Teil eines Ingenieursteams in London, bevor sie nach Frankreich zurückkehrte und dort vor allem bei Wohnungsbaugesellschaften Großprojekte leitete. An der Position der Generaldirektorin der SEM Calorie hat die zweisprachige Ingenieurin nach eigenen Aussagen vor allem die deutsch-französische Dimension gereizt.
Das Projekt, das durch den INTERREG-Fonds der Europäischen Union unterstützt wird, ist einzigartig in Europa: Nirgendwo anders wird bislang industrielle Abwärme genutzt, um ein grenzüberschreitendes Fernwärmenetz zu speisen.
Ihren Sitz hat CKS in Straßburg, ihre Außenstelle in Kehl. CKS ist die erste länderübergreifende Gesellschaft mit baden-württembergischer Beteiligung. 2018 hatte das Umweltministerium des Landes das Projekt angestoßen und eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Über das INTERREG-V-Programm wurden eine weitere Studie, die Rechtsberatung zur Findung der Rechtsform und der Erarbeitung der Gesellschaftsverträge sowie die Gründung der deutsch-französischen Wärmegesellschaft mit etwa einer Million Euro unterstützt. Ein weiterer Antrag im INTER-REG-VI-Programm ist eingebracht. Die Entscheidung über die Förderung wird noch im Mai erwartet.
Der Bau der etwa 4,5 Kilometer langen Leitungstrasse vom Gelände der BSW bis in die Straßburger Esplanade wird von der französischen Umwelt- und Energieagentur ADEME (Agence de l’Environnement et de la Maîtrise de l’Energie) sowie vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle mit insgesamt voraussichtlich rund 14 Millionen Euro gefördert. Die Kostenschätzung für die Planung und den Bau der Fernwärmeleitung liegt bei rund 29 Millionen Euro; eine besondere Herausforderung stellt die Rheinquerung – voraussichtlich mit einem Tunnel dar. Auf dem Gelände der BSW ist eine zusätzliche Investition von gut elf Millionen Euro erforderlich.